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Kippelemente
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Ausgangspunkt ist: Eine internationale Forschergruppe unter Mitwirkung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat Ende 2019 davor gewarnt, dass einige Kipp-Elemente des globalen Klimasystems früher als gedacht erreicht sein könnten und dies existenzbedrohende Folgen haben könne. Die Forscher äußern, das Risiko unumkehrbarer und sich selbstverstärkender Effekte sei womöglich unterschätzt worden; sie stufen einige Kippelemente wie das Abschmelzen von Eisschilden um Nord- und Südpol, das Abholzen der tropischen Regenwälder, ein Abbruch des Monsunsystems oder ein Versiegen des Golfstroms so ein, dass dies Kettenreaktionen auslösen könnten. Sie fordern energische Gegenmaßnahmen, da ein globaler Kipppunkt nicht ausgeschlossen werden könne und die Zivilisation existenziell gefährdet sei. 1. Ist dieser Warnruf der Forscher zu den Kipp-Elementen aus Sicht des UBA berechtigt? Der Artikel ‚Climate tipping points – too risky to bet against’ ist von höchst renommierten, international etablierten Klimawissenschaftlern verfasst und in dem international geschätzten wissenschaftlichen Fachjournal ‚Nature‘ am 28.11.2019 publiziert worden. Nature ist neben der US-amerikanischen Science eines der weltweit angesehensten Fachjournale für Naturwissenschaften (https://www.scimagojr.com/journalrank.php). Der Begriff der ‚Kipppunkte‘ im Klimasystem ist nicht neu, sondern, wie im Artikel erwähnt, vor etwa 20 Jahren insbesondere von Tim Lenton in die Terminologie der wissenschaftlichen Diskussion des Klimawandels eingebracht worden. Als Kippelement wird in der Erdsystemforschung ein überregionaler Bestandteil des globalen Klimasystems bezeichnet, der bereits durch geringe äußere Einflüsse in einen ganz neuen Zustand versetzt werden kann, wenn es vorher einen bestimmten Zustand, einen „Kipp-Punkt“ bzw. „Tipping-Point“, erreicht hat. In dem neuen Zustand (der meist auch irreversibel ist) kann das Kippelement eine substanzielle Wirksamkeit entfalten. Das Umweltbundesamt hat bereits im Jahr 2008 ein fachliches Hintergrundpapier zu dieser Thematik verfasst und auf seiner Web-Seite publiziert (LINK). Global geht man aktuell von 16 Kippelementen aus, zu denen u.a. die Eisschilde Grönlands und der Antarktis, der Regenwald des Amazonas, die globalen Strömungssysteme der Ozeane und die arktischen Permafrostböden gehören. Bislang wurde die Wahrscheinlichkeit für ein baldiges Erreichen dieser Kipppunkte überwiegend als gering eingeschätzt. Für das Westantarktische Eisschild wurde ein aktuelles Erreichen bzw. Überschreiten eines Kipppunktes allerdings bereits ernsthaft diskutiert. Das im Artikel als ‚Worst-Case‘- Szenario diskutierte Auslösen globaler Kaskaden von Kipppunkten und das damit assoziierte Erreichen eines globalen Kipppunktes wurde unseres Wissens erstmals in einer Publikation von W. Steffen et al. (Trajectories of the Earth System; 2018) wissenschaftlich diskutiert. Hier wird das Erreichen eines neuen, geophysikalisch stabileren Zustandes des Erdsystems beschrieben, der als ‚Hothouse Earth‘ bezeichnet wird. Gestützt werden diese Befürchtungen durch vergleichbare historische CO2-Konzentrationen der Erdatmosphäre vor etwa 4 Mio. Jahren (im Pliozän) und geophysikalische Untersuchungen, die auf das wiederholte Erreichen regionaler Kipppunkte vor etwa 80.000 und 10.000 Jahren hinweisen, die sich im Abbruch riesiger Eismassen (sogenannte Dansgaard-Oeschger- und Heinrich-Events) zeigten. Diese Art von Ereignissen, die damals unter dem schwächeren Antrieb der Veränderung von Erdbahnparametern auftraten, sind unter dem deutlich stärkeren Antrieb einer erhöhten atmosphärischen Treibhauskonzentration natürlich nicht auszuschließen. Für eine möglichst exakte Simulation der Auswirkungen erreichter Kipppunkten auf das Weltklima ist die Entwicklung noch detaillierterer Klimamodelle notwendig, die globale Wechselwirkungsmechanismen und Kippelemente stärker berücksichtigen. Die Autoren der Studie schließen in ihrer Publikation die Möglichkeit des Auftretens von Kipppunkt-Kaskaden und die Existenz eines globalen Kipppunktes ausdrücklich nicht aus. Aus der Situation eines planetaren Notstandes heraus leiten sie folgerichtig einen extrem hohen Handlungsdruck auf die Politik ab. Der Forderung nach dringendem internationalem Handeln zum Schutz des Erdklimas kann sich das UBA hier nur anschließen. . Sehen Sie diese Kippelemente auch als akute Gefahr für die Menschheit an? Sind das seriöse Aussagen/Forderungen der Wissenschaftler – und keine Panikmache? Folgen des Klimawandels sind schon heute in Gesellschaft und Wirtschaft sowie den Ökosystemen aller Kontinente zu beobachten. Ein globaler Temperaturanstieg um 4 °C und mehr gegenüber vorindustriellem Niveau würde sehr hohe Risiken für Menschen und Ökosysteme sowie unvermeidbare Schäden mit sich bringen. Der 5. Sachstandsbericht des IPCC hat gezeigt, dass ein so hoher Temperaturanstieg beim Ausbleiben raschen und ambitionierten Klimaschutzes möglich ist. Dann würden die Möglichkeiten für Anpassung an den Klimawandel schwinden. Verstärkt sich der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten weiter, nimmt Hitzestress zu, Extremereignisse werden voraussichtlich häufiger und führen zu stärkeren negativen Folgen für Gesellschaften und Ökosysteme, und es steigt die Gefahr von abrupten, unumkehrbaren Klimaänderungen mit sehr hohem Risiko (Kipp-Punkte). An dieser Stelle – der Gefahr des Erreichens von Kipp-Punkten - steigen die Autoren in ihrer Publikation im Wissenschaftsmagazin ‚Nature‘ vom 28.11.2019 ein. Bei unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen und fortschreitendem Klimawandel steigt das Risiko der Aktivierung von Kipppunkten mit seinen weitreichenden Folgen für das globale Klimasystem. Die Aktivierung der Kippelemente und insbesondere damit verbundene kaskadierende Effekte könnten demnach durchaus das globale Klima nachhaltig verändern und damit auch die uns bekannten Lebensbedingungen erheblich verschlechtern.Zu Zeitpunkt und Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Ereignisse sind aktuell noch keine präzisen Angaben möglich. Das UBA sieht in dem Artikel keine ‚Panikmache‘, sondern eine wissenschaftlich gut begründete Warnung vor den großen Gefahren, die im Falle eines unzureichenden Klimaschutzes zu erwarten sind. Risiken für Menschen bestehen durch die Beeinträchtigung von Dienstleistungen der Natur (z. B. durch Extremtemperaturen, Dürreperioden, Überflutungen, Ozeanerwärmung und -versauerung sowie den daraus resultierenden Verlusten an Biodiversität und Produktivität von Ökosystemen und Landwirtschaft) sowie durch Schäden an Infrastrukturen und Landverluste (z. B. durch Meeresspiegelanstieg). Zunehmender Klimawandel verlangsamt das Wirtschaftswachstum, gefährdet die Ernährungssicherheit, verschärft soziale Ungleichheiten und birgt damit die Gefahr gewaltsamer Konflikte und verstärkter Migrationsbewegungen. Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zu seiner Minderung können Risiken effektiv reduzieren. Werden Minderungs- mit Anpassungsmaßnahmen gekoppelt und berücksichtigen sie gleichzeitig nicht-klimatische Faktoren (z. B. Urbanisierung, demografische Entwicklung), können Chancen für eine nachhaltige Entwicklung am besten genutzt werden. Wenn die Menschheit durch ambitionierte und rasche Klimaschutzmaßnahmen sicherstellt, dass die 2 °C-Obergrenze der globalen Erwärmung gegenüber vorindustriellen Bedingungen eingehalten wird, können viele Risiken des Klimawandels durch ausreichende Anpassung noch einigermaßen beherrscht werden. Je stärker die 2 °C-Obergrenze überschritten wird, desto gravierender werden die Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft sein. Die allergrößten Risiken tragen arme und sozial benachteiligte Gruppen. In ärmeren Gesellschaften kann dies den Verlust des Lebens bedeuten oder starke Beeinträchtigungen der Gesundheit, in reicheren Gesellschaften eher den Verlust von ökonomischen Werten. Das Risiko von zusätzlichen Migrationsbewegungen und gewaltsamen Konflikten würde zunehmen. (Quelle bis hierher: Überarbeitete Kernbotschaften zum AR5, WG II) Eine mittlere globale Erwärmung von 1,5 °C gegenüber vorindustrieller Zeit birgt nach Einschätzung des IPCC Sonderberichtes über 1,5 °C globale Erwärmung (SR1.5) generell geringere Risiken für natürliche und sozio-ökonomische Systeme als eine Erhöhung des durchschnittlichen Erwärmungsniveaus um 2 °C oder mehr. Verminderte Raten des Temperaturanstiegs, wie sie bei einer Begrenzung auf 1,5 °C zu erwarten sind, verbessern die Anpassungsmöglichkeiten von natürlichen und sozioökonomischen Systemen an den Klimawandel und verringern die Häufigkeit und Intensität von Extremtemperaturereignissen. Das konkrete Ausmaß des Risikos wird dabei auch von der geographischen Lage, dem Entwicklungsniveau und der Vulnerabilität der Region und Gesellschaft, sowie von den dort getroffenen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bestimmt. In aktuellen Publikationen schreibt auch das UBA von „weit reichenden Folgen“, die durch den Klimawandel in Deutschland bereits spürbar seien. Was sind die gravierendsten aktuellen Folgen aus Sicht des UBA (2, 3 Bsp. bitte aufzählen) Langjährige Zeitreihen im Monitoringbericht 2019 zur DAS zeigen, dass sich in Deutschland Klimawandelwirkungen in Umwelt und Gesellschaft deutlich abzeichnen. Im Folgenden finden Sie eine Auswahl von Entwicklungen, die UBA zum Anlass nimmt von weit reichenden Folgen zu sprechen: Die mittlere Lufttemperatur in Deutschland von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad erhöht. Allein in den letzten fünf Jahren stieg die mittlere Lufttemperatur um 0,3 Grad an. Wasserverfügbarkeit. Die Wasserverfügbarkeit verändert sich. Der Monitoringbericht 2019 zeigt, dass sich in den letzten zehn Jahren bundesweit die Monate mit unterdurchschnittlich niedrigen Grund¬wasserständen häufen und die mittleren sommerlichen Abflusshöhen der Flussgebiet…Gefundene Schlagwörter
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