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Dass sich für den Finanzsektor Risiken aus dem Klimawandel ergeben, steht bei der Politik noch nicht ausreichend im Fokus. Auch Finanzaufsicht und Banken bewegen sich zu langsam, kritisieren Experten. Ein Beirat für „Sustainable Finance“ soll jetzt für mehr Tempo sorgen. Es geht auch um die Zukunftsfähigkeit und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland. Da klaffe eine Lücke zu anderen Ländern, sagt Karsten Löffler von der renommierten Frankfurt School of Finance & Management. Seit einer Woche leitet er den 37-köpfigen Sustainable-Finance-Beirat, den das Bundesfinanzministerium und das Bundesumweltministerium gemeinsam etabliert haben. Es wird höchste Zeit, lässt Löffler bei einem Gespräch zum Thema „Grünes Deutschland – Sustainable Finance“ in Frankfurt durchblicken. Von der Klimakanzlerin ist längst keine Rede mehr. Auch Banken, Versicherungen und Pensionskassen sehen in den Herausforderungen durch den Klimawandel noch ein Nischenthema. „Deutschland kommt beim Thema Nachhaltige Finanzen allmählich hinterher“, lag also zurück, aber holt nun auf. „Das gilt auch für die Aufsicht, die Bundesbank und die Finanzaufsicht BaFin“, sagt Löffler. „Die Niederlande, Frankreich oder Großbritannien sind allerdings schon weiter.“ Folgen des steigenden Meeresspiegels betrachten Löffler muss es wissen. 18 Jahre war er bei der Allianz Gruppe tätig, hat zuletzt den Innovationshub Allianz Climate Solutions über klimawandelbedingte Chancen und Risiken geleitet, bevor er 2017 zur Frankfurt School gekommen ist und dort das gemeinsame Zentrum mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) für Klima und Nachhaltige Energiefinanzierung mitführt. Fragen des Klimawandels hängen für ihn längst mit Fragen der Finanzstabilität zusammen. Deshalb müssten sich auch Aufseher kümmern. Sie tun das hierzulande, so Löffler, allmählich intensiver. Im Herbst würden die Aufseher auf EU-Ebene einen ersten Stresstest aufsetzen, um die Folgen für die Finanzstabilität durch verschiedene Klimaszenarien zu analysieren. Das gehe weit über das hinaus, was Rückversicherer schon lange im Blick auf Extremwetterlagen untersuchen. Die Folgen etwa eines graduellen Anstiegs des Meeresspiegels würden aber ebenso wenig betrachtet wie sogenannte transitorische Risiken – also der Übergang vom heutigen Wirtschaftsmodell auf ein CO2-freies Wirtschaften bis 2050. Und damit verbunden die Frage, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen nicht mehr gefragt sein werden. Auch Haftungsrisiken müssten geklärt werden, schließlich könnten sie zu massiven Belastungen der Unternehmen führen. Auf der anderen Seite muss es, sagt Löffler, auch darum gehen, dass die Unternehmen neue (Geschäfts-) Chancen erkennen. Noch im Juni wird die EU eine neue Richtlinie verabschieden. Danach muss im Vorstand von börsennotierten Unternehmen ein Vorstand sitzen, der sich um Klima und Nachhaltigkeit kümmert, es muss eine entsprechende Geschäftsstrategie formuliert und ein Risikomanagement etabliert werden. Jährlich müssen die Unternehmen über die Fortschritte berichten. Investoren würden sehr genau auf die Einhaltung der Vorgaben achten, sagt Löffler. Grüne Geldanlagen sind noch ein Nischenangebot Darauf werden künftig auch die Europäische Zentralbank (EZB), die Bundesbank und die BaFin schauen. Denn Klimarisiken und fehlende Orientierung an Nachhaltigkeit können sich zu einem systemischen Risiko aufschaukeln und eine neue Finanzkrise auslösen. Löffler zufolge schaut etwa die französische Notenbank bei ihren eigenen Geldanlagen schon sehr genau auf Klima- und Nachhaltigkeitsaspekte. Hierzulande stecken solche Geldanlagen noch in der Nische mit einem Marktanteil von nicht einmal fünf Prozent. Das soll sich ändern. „Der Blick auf die Risiken und Chancen des Klimawandels und stärkerer Nachhaltigkeitsorientierung müssen im Mainstream der Finanzbranche verankert werden,“ sagt Löffler. Da liege allerdings noch einiges im Argen. „Die Bereitschaft, sich den Fragen von Klima und Nachhaltigkeit zu stellen, wird besonders in großen Häusern, Banken und Finanzinstituten sichtbar.“ Dabei hat Deutschland nach Ansicht von Löffler gute Chancen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit voranzukommen. Es muss dies aber auch schaffen, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben. Er verweist auf die „innovations- und technologiegetriebene“ Realwirtschaft, auf den starken Mittelstand, die Flexibilität des deutschen Finanzierungsmodells und die Erfahrungen aus der Energiewende. Umso mehr wundert er sich, dass sich manche Investoren zurückhalten. „Pensionsfonds hinken bei nachhaltigen und klimarelevanten Anlagen noch hinterher. Versicherer sind da tendenziell weiter.“ Möglicherweise ändert sich das durch die Debatten im von Löffler geführten Sustainable-Finance-Beirat. Dort sitzen neben Fondsmanagern, Vertreterinnen und Vertretern von Banken, der Börse, der Ratingagenturen, von Firmen wie BMW, ThyssenKrupp oder Rewe, Wissenschaftlern sowie Experten von kritischen Organisationen wie Germanwatch, Südwind, Urgewald, WWF oder der Bürgerbewegung Finanzwende auch Verantwortliche von Pensionskassen. Löffler mahnt mehr Tempo an, noch gehe es in Deutschland auf diesem Feld zu langsam voran. Dabei suchten Investoren händeringend nach grünen Geldanlagen, die den Kampf gegen den Klimawandel befördern. Die Nachfrage nach Green Bonds übersteigt das Angebot deutlich. Zudem bedarf es erheblicher Mittel, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Nach Schätzungen der EU-Kommission fehlen dafür jährlich zwischen 175 und 290 Milliarden Euro.

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