[Ohne Titel]

Text (9.730 Zeichen)

Ökologische Finanzreform: Produktbezogene Anreize als Treiber umweltfreundlicher Produktions- und Konsumweisen Verbrauchsteuern und weitere produktbezogene ökonomische Instrumente In diesem Vorhaben wurden Optionen für die Besteuerung von Produkten ausgearbeitet. Gegenstände der Betrachtungen sind eine umweltorientierte Mehrwertsteuer sowohl innerhalb des gegebenen europäischen Rechtsrahmens als auch möglichen Änderungen des EU-Rechts; sowie Verbrauchsteuern und weitere produktbezogene ökonomische Instrumente. Im Fokus dieses Berichts stehen Verbrauchsteuern, die das Potential haben, den Überkonsum knapper Ressourcen zu verringern, Emissionen und Abfälle zu reduzieren und ökonomische Anreize zu geben für das Recycling von Produkten zur Rückgewinnung von Rohstoffen. Neben Steuern werden im Rahmen der Analysen auch andere produktbezogene ökonomische Instrumente wie Pfandsysteme oder die Ausweitung der Herstellerverantwortung thematisiert. In der deutschen Finanzverfassung sind Verbrauchsteuern eng gefasst. Sie müssen sich regelmäßig auf „Güter des ständigen privaten Bedarfs“ beziehen. Hier vorgestellte Optionen für Verbrauchsteuern mit ökologischer Lenkungswirkung sind z. B. eine Verbrauchsteuer auf Zement gekoppelt mit Klimaschutzverträgen für weitgehend klimaneutralen Zement, die Befreiung nachhaltigen Kaffees von der Kaffeesteuer und eine Steuer auf Tragetaschen. Weitere ökonomische Instrumente, die untersucht wurden, sind eine Bepreisung von Flugfracht im Rahmen einer Flugfrachtsteuer, die Kostenübertragung auf Hersteller von Einwegkunststoffprodukten im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung oder ein Pfand auf Lithium-Ionen-Akkus. Zusätzliche Handlungsspielräume, um durch ökonomische Instrumente eine ökologische Steuerungswirkung zu erreichen, könnten durch eine Änderung der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes erschlossen werden – z.B. indem „Umweltabgaben“ oder „Abgaben auf Emissionen“ ausdrücklich zugelassen werden. Die Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuern können vor allem ökologische Wirkungen beim privaten Konsum erzielen. Umweltwirkungen der Produktion können nur indirekt und unpräzise adressiert werden. Hersteller sind durch die Konsumveränderung nur mittelbar betroffen, nicht jedoch in ihrer Wettbewerbsposition gegenüber ausländischen Anbietern. Eine nationale Einführung ist eher möglich und kann Impulse für weiterreichende internationale Initiativen geben. In diesem Vorhaben werden Optionen für die umweltorientierte Besteuerung von Produkten ausgearbeitet: Gegenstände der Betrachtungen sind eine umweltorientierte Mehrwertsteuer sowohl innerhalb des gegebenen europäischen Rechtsrahmens als auch möglichen Änderungen des EU-Rechts; sowie Verbrauchsteuern und weitere konsumbezogene Instrumente. Dabei werden sowohl neue Vorschläge als auch Optionen für die Weiterentwicklung bestehender Abgaben berücksichtigt. Die ausgearbeiteten Vorschläge für eine Reform der Mehrwertsteuer werden in einem separaten Berichtsdokument dargelegt. Umweltbezogene Steuern können bei Herstellern und Produzenten angelegt werden, bei Händlern und Importeuren sowie bei Endverbraucher:innen. Im Vordergrund steht dabei das Preissignal und die daraus resultierende Lenkungswirkung. Umweltorientierte Lenkungssteuern sollen dazu beitragen, umweltschädliches Verhalten zu reduzieren, umweltfreundlichere Alternativen zu fördern und Innovationen anzustoßen. Der Fokus in diesem Projekt liegt auf umweltbezogenen Steuern, die beim Verbrauch ansetzen. Verschiedene Argumente werden für die Einführung solcher konsumbezogener Abgaben vorgebracht: ► Eine umweltorientierte Besteuerung des Konsums setzt klare Anreize bei Verbraucher:innen: Sie trägt dazu bei, dass Preise von Produkten oder Aktivitäten auch die „ökologische Wahrheit“ (Emissionen, Umweltschäden, etc.) widerspiegeln. Für Verbraucher:innen entstehen Anreize, weniger umweltschädliche Produkte zu konsumieren. Durch das Preissignal wird die Nutzung natürlicher Ressourcen damit bei Verhaltens- und Kaufentscheidungen stärker berücksichtigt. ► Eine umweltorientierte Besteuerung des Konsums kann Anreize zur umweltfreundlicheren Produktion geben: Um die Mehrbelastung durch Besteuerung zu vermeiden, weichen Verbraucher:innen auf Alternativen aus oder verringern ihre Nachfrage. Dies sendet ein Signal an die Unternehmen, die diese Produkte herstellen oder in den Markt bringen. Für Unternehmen entstehen so Anreize zur Entwicklung von Produkten und Prozessen, die keine bzw. weniger negative Umweltwirkungen haben. Voraussetzung für diese Wirkung ist, dass durch die veränderte Nachfrage das Signal bei den Herstellern auch ankommt. ► Eine umweltorientierte Besteuerung des Konsums bietet ein Level-Playing-Field für Unternehmen: Die durch die Nachfrage induzierte Wirkung auf den Absatz von Produkten und Dienstleistungen ist für alle anbietenden Unternehmen gleich, unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland produzieren. Dadurch entsteht keine Gefahr der Wettbewerbsverzerrung. ► Eine umweltorientierte Besteuerung des Konsums kann staatliche Einnahmen erschließen: Aus finanzpolitischer Sicht generieren umweltbezogene Abgaben als indirekte Steuern staatliche Einnahmen. Diese können Einnahmen durch direkte Steuern auf Einkommen und Unternehmensgewinne, die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem Wettbewerb auf globalisierten Märkten abnehmen, zumindest teilweise ersetzen. ► Eine umweltorientierte Besteuerung des Konsums kann gerecht ausgestaltet werden: Regressive Verteilungswirkungen können zunächst auftreten. Die negativen Verteilungswirkungen können aber durch die Verwendung des zusätzlichen Steueraufkommens zugunsten von ökonomisch schwächer Gestellten oder von der Steuer stark belasteten Personen ausgeglichen werden. Gegen die Einführung von umweltbezogenen Steuern auf den Verbrauch werden u. a. die folgenden Argumente angeführt: ► Eine umweltorientierte Besteuerung des Konsums setzt nicht immer beim Verursacher an: Bei vielen Konsumgütern haben Verbraucher:innen keinen direkten Einfluss darauf, mit welchem Umwelt- und Ressourcenverbrauch Produkte hergestellt werden. Das Preissignal kann verpuffen, wenn die Nachfrageelastizität für ein Produkt eher starr ist, z. B. bei lebensnotwendigen Gütern, bei Mangel an Alternativen oder wenn Verbraucher:innen keine Wahl haben (bspw. Heizungsanlage im Mietshaus). In diesen Fällen werden die zusätzlichen Kosten von Verbraucher:innen getragen, ohne weitere Impulse an die Hersteller zu geben. Steuern, die beim Verursacher ansetzen, geben dagegen ein direktes Signal und Handlungsmöglichkeiten für Hersteller. Jedoch ist die Nachfrage nach den allermeisten Gütern zumindest mittel- bis langfristig elastisch, sodass in diesem Rahmen auch indirekt die Verursacher, nämlich die Hersteller, adressiert werden. Zudem kann argumentiert werden, dass die nachfragenden Konsument:innen die Umweltbelastungen neben den Herstellern mit zu verantworten haben und entsprechend mit Verursacher sind. ► Eine umweltorientierte Besteuerung bei Endverbraucher:innen ist aufwändiger als eine Besteuerung in vorgelagerten Stufen: Bei einer Besteuerung des Endverbrauchs müssen viele, oftmals komplexe Konsumprodukte besteuert werden, während eine Steuer auf Vorprodukte oder Inputs in vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette weniger Akteuren oder Produkte erfasst. Allerdings lassen sich konsumbasierte Instrumente häufig schneller und leichter national umsetzen als Förderungen oder Belastungen am Anfang von zumeist globalen Wertschöpfungsketten. ► Wenn für den Konsum umweltfreundlicher Güter Steuernachlässe gewährt werden, können Rebound-Effekte entstehen: Das gesparte Geld könnte anderweitig umweltschädlich ausgegeben werden. Flankierende Instrumente können und sollten eingesetzt werden, um diesen Effekten entgegenzuwirken. ► Eine umweltorientierte Besteuerung des Konsums sei ungerecht: Eine Besteuerung des Konsums kann zu unerwünschten Verteilungswirkungen führen. Haushalte mit geringem Einkommen geben einen höheren Anteil ihres Einkommens für Güter des alltäglichen Bedarfs aus. Eine Verteuerung durch umweltbezogene Steuern auf solche Güter hat dann eine regressive Wirkung. Dagegen wirkt die Verteuerung von Produkten, die von höheren Einkommensgruppen nachgefragt werden, nicht regressiv. Die Steuereinnahmen können zur Entlastung an anderer Stelle oder zugunsten höher belasteter Gruppen verwendet werden. Darüber hinaus können Elemente der Steuerausgestaltung, wie Freibeträge oder progressive Steuern, der besonderen Belastung von vulnerablen Haushaltsgruppen vorbeugen. Vor dem Hintergrund dieser Argumente stellt sich also die Frage, in welchem Ausmaß eine umweltorientierte Besteuerung des Konsums zu Emissionsminderung, Ressourcenschonung, Innovationsförderung und Sicherung öffentlicher Finanzen beitragen kann. Auf der einen Seite gibt es hohe Erwartungen im Hinblick auf die Erfüllung internationaler Verpflichtungen im Klimaschutz oder der Nachhaltigkeitsziele. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen Steuern haben können: Wirken die Preissignale bei Verbraucher:innen und führen zu Veränderungen im Konsumverhalten? Kommen diese auf Verbraucher:innen ausgerichteten Lenkungssignale bei Herstellern und Händlern an? Werden dadurch neue Wertschöpfungen bewirkt? Ergeben sich umweltfreundliche Innovationen und neue Exportmöglichkeiten? Welche Beschäftigungseffekte ergeben sich durch die Verlagerung der Produktion von umweltschädlicheren Produkten hin zu innovativen Alternativen? In den folgenden Kapiteln werden Vorschläge für umweltbezogene Verbrauchsteuern bzw. entsprechende Reformen bestehender Abgaben und weiterer ökonomischer Instrumente dargelegt.

Gefundene Schlagwörter

  • Besteuerung
  • Konsum
  • Verbrauchssteuer
  • Umweltsteuer
  • Ökonomische Instrumente
  • Verteilungswirkung
  • Konsumverhalten
  • Mehrwertsteuer
  • Einkommen
  • Umweltschutzabgabe
  • Lenkungsabgabe
  • Innovation
  • Ressourcenverbrauch
  • Ressourcennutzung
  • Steuer [Abgabe]
Weitere Ergebnisse (36)
  • Verbraucherprodukt
  • EU-Recht
  • Gesamtwirtschaftliche Wirkung
  • Recyclingpotenzial
  • Rechtsgrundlage
  • Pfandregelung
  • Produktverantwortung
  • Steuervergünstigung
  • Preiserhöhung
  • Beschäftigungswirkung
  • Klimaschutz
  • Ressourcenknappheit
  • Umweltbelastung
  • Umweltauswirkung
  • Innovationspolitik
  • Ökologische Finanzreform
  • Rohstoffrückgewinnung
  • Zement
  • Einwegkunststoffprodukt
  • Umweltschaden
  • Wettbewerbsverzerrung
  • Demografischer Wandel
  • Rebound-Effekt
  • Ressourcenschonung
  • Emissionsminderung
  • Nachhaltigkeitsziel
  • Kaffeepflanze
  • Preispolitik
  • Lithium-Ionen-Akkumulator
  • Dienstleistungssektor
  • Wirtschaftlicher Gewinn
  • Heizung
  • Zwischenprodukt
  • Öffentliche Finanzierung
  • Vertrag
  • Finanzierungshilfe