Heizen ohne Kohle, Öl und Gas: Wie geht das? | Wissen & Umwelt | DW | 20.01.2020

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Das Heizen mit Kohle, Öl und Erdgas verursacht rund ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen. Das lässt sich ändern, sagt Wolfgang Feist, Gründer des Passivhaus Instituts in Darmstadt: "Gebäude lassen sich klimaneutral versorgen und das geht mit erneuerbaren Energien weltweit". Dabei sei es vor allem sinnvoll, die Gebäude fit zu machen, um keine Energie zu verschwenden. "Mit guter Dämmung und Belüftungssystemen lassen sich im Vergleich zu herkömmlichen Gebäuden beim Neubau 80 bis 90 Prozent Energie einsparen und bei Altbauten durch die energetische Sanierung 75 bis 80 Prozent", so Feist gegenüber der DW. Der verbleibende Bedarf könne dann aus einem Mix an erneuerbaren Energien gedeckt werden. Je nach Region kann das unterschiedlich ausfallen, sagt der Professor für Bauphysik und Pionier für effiziente Bauweise. "Als wichtige Quellen sehe ich hierbei die Fernwärme mit erneuerbaren Energien und das Heizen mit Umweltwärme und Wärmepumpe". Der Einsatz von Holz oder Holzpellets sei ebenfalls eine Möglichkeit, den Bedarf an Wärme für einzelne Gebäude zu decken. Für den kompletten Wärmebedarf von Städten und Industrien sei dies jedoch "keine sinnvolle Option", betont Feist. Denn das sei nicht nachhaltig, der Bedarf an Biomasse wäre zu groß. Frankfurt will bis 2050 klimaneutral werden. Energieexperte Paul Fay erklärt die Strategie und den neuen Energiemix. Frankfurt will klimaneutral werden Um bis 2050 klimaneutral zu werden, setzt die Stadt Frankfurt auf verschiedene Technologien, erklärt Paul Fay vom städtischen Energiereferat. Er koordiniert den Umbau, für den die Stadt zusammen mit Wissenschaftlern einen Masterplan erstellt hat. Dazu gehören effiziente Passivhäuser und die energetische Sanierung von Altbauten in der Stadt. Einen Teil der benötigten Wärmeenergie will Frankfurt mit Sonnenkraft auf den Dächern erzeugen, einen anderen Teil sollen Fernwärmeleitungen in die Stadtquartiere bringen. Dort soll Wärme eingespeist werden, die beim Verbrennen von Müll und Holz ensteht oder als Abwärme aus Rechenzentren stammt. Außerdem kann Umweltwärme aus dem Boden mit Hilfe von Wärmepumpen genutzt werden. Wie funktioniert eine Wärmepumpe? Im Prinzip arbeitet eine Wärmepumpe wie ein Kühlschrank. In einem geschlossenen mehrstufigen System enstehen in einem Kompressor Wärme, im Verdampfer Kälte. Dabei entzieht ein flüssiges Kühlmittel der Umwelt Wärme, um damit Gebäude oder Wasser aufzuheizen. Die Energie holt sich die Wärmepumpe aus dem Erdreich, dem Grundwasser oder der Luft. Wärmepumpen brauchen Strom als Antriebsenergie, die Leistung hängt vor allem von der Wärmequelle ab. "Wir haben 60 Wärmepumpensysteme in älteren Gebäuden in Deutschland untersucht", sagt Forscher Marek Miara von Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Das Ergebnis: "Wärmepumpen mit Luft als Wärmequelle erzeugen in den älteren Gebäuden im Durchschnitt aus einer Kilowattstunde Strom rund drei Kilowattstunden Wärme. Und Wärmepumpen mit Grundwasser und Erdreich als Wärmequelle erzeugen im Durchschnitt 3,9 Mal so viel Wärme", so Miara gegenüber der DW. Systeme in Neubauten seien effizienter. Passivhaussiedlung in Frankfurt: Mit Sonnenkraft und Wärmepumpe wird hier das ganze Jahr über klimafreundlich geheizt. Schlüsseltechnologie mit starkem Wachstum Wärmepumpen sind in den Szenarien für eine klimaneutrale Energie und Wärmeversorgung ein sehr zentraler Baustein. Weltweit ersetzen Wärmepumpen inzwischen immer mehr fossile Heizsysteme. "Wir sehen global einen sehr positiven Trend. Wir erleben ein goldenes Zeitalter für Wärmepumpen, es wird ein Massenmarkt", sagt Thomas Nowak von der Lobbyorganisation European Heat Pump Association (EHPA) . Laut EHPA-Report wurden 2018 weltweit 18 Millionen Wärmepumpen verkauft, davon 1,3 Millionen in Europa. Weltweit steige der Absatz jährlich um zehn Prozent. Weniger CO2 mit Wärmepumpe In Europa sind Wärmepumpen bisher vor allem in den skandinavischen Ländern sehr verbreitet und beliebt. Der Strom wird in diesen Ländern schon jetzt vor allem durch klimafreundliche Wind- und Wasserkraft erzeugt. Laut Berechnungen von Fraunhofer ISE verursachen in Schweden Heizungen mit Wärmepumpe rund 90 Prozent weniger CO2-Emissionen als Heizungen mit Erdgas. In der EU und vielen anderen Ländern der Welt wird derzeit noch viel Strom mit Kohle- und Gas erzeugt. Doch nach Berechnungen der Fraunhofer-Forscher sind Wärmepumpen in der Bilanz auch dort klimafreundlicher als eine Heizung mit Erdgas. Im Durchschnitt der EU-Länder liegt der CO2-Einspareffekt gegenüber Erdgasheizung bei rund 60 Prozent und in Deutschland bei rund 30 Prozent. Wenn der Strom durch den Ausbau Wind- und Solarkraft zunehmend klimafreundlicher wird, wie derzeit in Deutschland , wächst der CO2-Einspareffekt bei Heizungen mit Wärmepumpe weiter. Stammt der Antriebsstrom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien, wird das Heizen mit Wärmepumpen klimaneutral. Große Wärmepumpe in Schaffhausen (Schweiz) für Fernwärme: Auch immer mehr Stadtwerke nutzen die Technologie. Wärmewende braucht Politik Energie- und Gebäudeexperten sind sich einig, dass der Umstieg auf klimaneutrale Heiztechnik in allen Gebäuden und in der Industrie weltweit möglich ist. "Allerdings gibt es noch viel Schulungsbedarf. Bei Handwerkern, Architekten und Bauherren fehlt oft das Wissen, wie alles optimal abgestimmt werden kann und man so viel Energie und Geld spart", sagt Andreas Nordhoff im DW-Gespräch. Nordhoff ist Berater für Passivhaustechnik und schult auch Architekten und Handwerker. Wichtig für die klimafreundliche Wärmeversorgung sei aber auch die Politik. "Was wir jetzt brauchen ist ein Verbot von neuen Ölheizungen. Diese sind besonders klimaschädlich und deshalb muss der neue Einbau ab jetzt verboten werden", sagt Nicolas Besser, Projektmanager Energie- und Klimaschutz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). "Heizungen mit Erdgas sind im Vergleich zur Ölheizung etwas klimafreundlicher aber auch klimaschädlich. Deshalb brauchen wir auch ein Verbot für den Einbau und das ab 2025". Um die Klimaziele zu erreichen, fordert die DUH ein Sofortprogramm Klimaschutz für Gebäude. Mit finanzieller Förderung sollten Gebäude saniert, kommunale Wärmenetze ausgebaut und der Ausstieg aus Öl- und Gasheizung beschleunigt werden. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Freiburger Solarsiedlung als Vorbild Die Häuser sind stark gedämmt, die großen und hochwertigen Scheiben lassen viel Sonnenenergie herein. Wärme aus der verbrauchten Luft heizt die Frischluft auf und das Dach erzeugt den nötigen Strom. Seit dem Jahr 2000 ist diese Siedlung in Freiburg ein Mekka für Architekten aus der ganzen Welt. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Mehr Komfort und geringere Kosten Die Räume sind heller, die Luftqualität ist besser und die Temperatur bleibt konstant. Zwar kostet der Bau eines Passivhauses fünf bis sechs Prozent mehr, dafür werden die Kosten für die Energie eingespart. In der Bilanz ist das Wohnen günstiger. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Hotelkette setzt auf Passivbau Die Alpen-Hotelkette Explorer baut ihre Hotels inzwischen nach dem Standard der Passivhäuser und spart damit Kosten. Dank der guten Isolierung kommt dieses Allgäuer Hotel selbst im Winter ohne zusätzliche Heizung aus. Eine Solaranlage auf dem Dach deckt einen Großteil des Strombedarfs. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Funktioniert auch im Winter Passivhäuser brauchen im Vergleich zum Altbau nur noch etwa ein Zehntel der Energie, im Vergleich zum Neubau etwa ein Fünftel. Diese Häuser der finnischen Sozialwohnungsgesellschaft sind besonders gut gedämmt. Die Fenster haben vier Glasscheiben. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Kostenbremse für Mieter Dieses Null-Energie-Haus mit drei Wohnungen ist eines der ersten Passivhäuser in Philadelphia. Es gilt als Beispiel für Energieeinsparung im sozialen Wohnungsbau. So gelingt es, die Energiekosten garade auch für ärmere Mieter niedrig zu halten. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Deutschland und Österreich sind Pioniere Das weltweit erste Passiv-Bürohochhaus prägt die Skyline von Wien. In Österreich und Deutschland gibt es inzwischen viel Know-how, zudem beflügeln Kostenersparnis und Klimaschutz die Umsetzung. Rund 50.000 Passivhäuser gibt es weltweit, über die Hälfte stehen in Österreich und Deutschland. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Auch Sanierung lohnt sich Dieses alte Hochhaus steht seit 1968 in Freiburg, 2011 wurde es saniert. Es ist das erste sanierte Passivhochhaus der Welt. Der Energiebedarf für die 140 Wohnungen konnte so um 80 Prozent gesenkt werden. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Globales Interesse Die effiziente Bauweise stößt auf weltweites Interesse. Dieser Architekt erklärt Kollegen die Sanierung alter Wohnblöcke in Frankfurt. Die Stadt will Schulen, Kindergärten, Bürobauten und rund 80.000 städtische Wohnungen mit der Passivhaustechnik sanieren. Bis 2050 will Frankfurt klimaneutral sein. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert China zieht nach Deutsche und chinesische Passivhaus-Pioniere vor einem Modell einer Fabrik nach Passivhausstandard in Harbin/China. Die chinesische Firma Sayyas baut dort Fenster für Passivhäuser und zählt zur den Pionieren der Energiespartechnik in China. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert China will Energiebedarf bremsen Dieses Passivhaus in Urumqi ist eines der ersten in China und wurde 2014 fertiggestellt. Die Regierung will mit effizienten Häusern den nationalen Energiebedarf bremsen. China erlebt einen Bauboom. Bis zum Jahr 2034 wird mit einer Verdopplung der Gebäudezahl gerechnet. Klimafreundliche Häuser fürs 21. Jahrhundert Größte Passivhaussiedlung der Welt In Heidelberg entsteht ein kompletter Stadtteil in Passivhausbauweise. 2012 zogen hier die ersten Bewohner …

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